Programm Sommerschule 2015

Programm der Sommerschule 2015

Workshops

Migration und Migrant*innen berechnen – Politik mit Zahlen

Jeannine Wintzer | Mi 9.00-17.00 | M1

Multikulturalität oder Integration, Nutzen oder Kosten, Vielseitigkeit oder Homogenität sind nur wenige der vielen Schlagworte im Zusammenhang mit Migration. Trotz ihrer politischen Bedeutung werden wir diese im Workshop nicht diskutieren, sondern hinter diese Begriffe und die mit ihnen häufig verknüpften, durch die Migrationsforschung produzierten Zahlenwerke schauen, um deren Denklogiken herauszuarbeiten. Worauf basiert das Verständnis von Migration? Warum reden alle über den Nutzen und die Kosten und bemühen sich um ihre Berechnung? Wozu dient die Forderung nach Integration?

Der Workshop steht im Kontext einer Kritischen Migrationsforschung, die auf die Reproduktion alltäglicher und wissenschaftlicher Wissensproduktion im Kontext von Migration zielt.

Religiöse Identitäten und Praktiken in der post-säkularen Stadt

Jan Winkler, Georg Glasze & MA-Studierende der FAU | Mi 9.00-17.00 | M2

Migrationsgeprägte städtische Gesellschaften müssen, so die Kernthese der Debatte um „Super-Diversität“ (Vertovec), nicht nur als Konfigurierungen vielfältiger ethnischer Identitäten verstanden werden. Vielmehr seien noch zahlreiche weitere Identitätslinien von Bedeutung. Ausgehend von diesen Überlegungen diskutieren wir in dem Workshop die Spezifik religiöser Identitäten und Argumentationsmuster in einer „post-säkularen Stadt“ (Cloke & Beaumont). Zentrale Frage ist, inwieweit religiöse Argumente und Praktiken entgegen der klassischen Säkularisierungsthese weiterhin ein bedeutsamer Faktor für die Strukturierung städtischer Gesellschaften sind und teilweise gar wieder an Bedeutung gewinnen.

Einen Themenschwerpunkt bildet dabei die Auseinandersetzung mit Konfigurierungen des Islam auf der Ebene von Städten und Stadtteilen. Hierzu werden wir – neben der anfänglichen Literaturarbeit – auch Expertengespräche und Exkursionen vor Ort in Osnabrück durchführen, beispielsweise zum neuen Institut für Islamische Theologie.

Lokale Migrationsregime – Flucht und Flüchtlinge vor Ort

Philipp Schäfer & Sophie Hinger | Mi 9.00-17.00 | M3

Asylpolitik wird meist auf nationaler Ebene gedacht, dabei spielen gerade in Deutschland die Kommunen eine wichtige Rolle nicht nur in der Umsetzung und Ausübung von Gesetzen, die von Bund und Ländern vorgegeben werden, sondern auch als spezifische Schauplätze von Auseinandersetzungen und Verhandlungen um die Aufnahme, Unterbringung und die Integration von Asylsuchenden.

In diesem Modul werden wir mit einer regimetheoretischen Perspektive und anhand von (mitgebrachtem) empirischem Material untersuchen, welche Akteure Asyl im Lokalen auf welche Art und Weise verhandeln und wie dabei Asyl(politik) verortet wird. Der Workshop wird zudem ein verstärktes Augenmerk auf Fragen der Operationalisierung von Regimeanalysen richten und somit die Methodendiskussion anregen.

Politische Geographien der Integration

Paul Reuber | Mi 9.00-12.30 | K1

Im gesellschaftlichen Diskurs über internationale Migration bildet „Integration“ häufig die „andere Seite“ der Debatte. Die Integration von MigrantInnen, von „Menschen mit Migrationsvorgeschichte“ ist dabei in starkem Maße eine Frage der politischen Aushandlung, die nicht selten zu gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und Konflikten führt. Wie soll Zuwanderung geregelt werden? Welche Leitbilder der Integration von ZuwanderInnen finden sich in einer Gesellschaft, wie führen sie in der politischen Diskussion zu konkreten Integrationspolitiken und -maßnahmen? Welche gesellschaftlichen Brüche und Widersprüche treten beim Thema Integration in einer Gesellschaft zu Tage und wie beeinflussen diese die politischen Prozesse und die Geographien der Integration?

Der Workshop thematisiert diese politisch-geographischen Fragen rund um das Thema Integration einerseits an wissenschaftlichen Texten, andererseits an konkreten Beispielen aus Deutschland, die sich – an aktuellen Beispielen – auf Integrationspolitiken, Integrationsleitbildern und Integrationskonflikte konzentrieren.

Internationale studentische Migrationen – zwischen Internationalisierung der Hochschulen, Wirtschaftspolitik und individuellen Biographie-Entscheidungen

Tim Elrick | Mi 13.30-17.00 | K2

In diesem Workshop wollen wir uns dem Phänomen nähern, dass immer mehr Menschen für einen Teil Ihrer Ausbildung ins Ausland wechseln und gleichzeitig mittlerweile Staaten diese Gruppe von Menschen für ihre wirtschafts- und bevölkerungspolitischen Ziele entdeckt haben.

Anhand ausgewählter aktueller Beispiele werden wir uns einen Überblick über das Themenfeld, den Zusammenhang zu existierenden Migrationsansätzen und seine Diskussionen erarbeiten.

(Post)Migration und die ,Stadt der Vielfalt‘

Mathias Rodatz | Mi 9.00-17.00 | M3

„Stadt ist Migration“ (Erol Yildiz). Dieser Satz bringt zum Ausdruck, dass sich die Entwicklung moderner Städte ohne transnationale Migrationsbewegungen kaum denken lässt. Dennoch prägte in der Bundesrepublik lange das Selbstverständnis als ,Nicht-Eiwanderungsland‘ das Verhältnis zwischen Stadtpolitiken und ihren (post)migrantischen Einwohner_innen. Bis heute stehen sie häufig nicht als Bürger_innen der Städte im Fokus von politischen Debatten und Verwaltungsarbeit, sondern gelten als ,Störung‘ der Ordnung der Stadt durch ,Integrationsdefizite‘ und ,Parallelgesellschaften‘. Aktuelle städtische ,Diversitätspolitiken‘ entwickeln einen anderen Blick auf die Stadt. Sie begreifen vergangene und aktuelle transnationale Migrationsbewegungen als konstitutiv und produktiv für die ,Stadt der Vielfalt‘ und suchen die Verwaltungsarbeit auf die Aktivierung der damit verbundenen Potenziale für die Ordnung der Stadt auszurichten.

Die Sitzung erarbeitet die Konturen dieses Wandels im Spannungsfeld zwischen postmigrantischer Vergesellschaftung, nationalen Zugehörigkeitsdiskursen und städtischen Neoliberalisierungsprozessen und fragt nach ihrer Bedeutung für eine gleichberechtigte, soziale, ökonomische und politische Teilhabe an der Stadt.

Theoretische Entscheidungskraft und der Streit zwischen Transnationalisten, Assimilationisten und anderen Migrationstheorien

Pascal Goeke | Mi 9.00-17.00 | M4

In Jorge Luis Borges‘ Kurzgeschichte ,Death and the Compass‘ fordert der Kommissar Lönnrot von seinem Assistenten Treviranus interessante Hypothesen, denn es möge zwar sein, dass die Wirklichkeit keine Verpflichtung zur Interessantheit habe, Hypothesen und Theorien aber sehr wohl das Kriterium der Interessantheit erfüllen müssten. Diese Forderung verweist auf die Erkenntnis, dass die Welt an sich keineswegs entschieden ist, sondern erst in der Kommunikation sinnhaft entschieden wird. Dies gilt auch und gerade, wenn in der Wissenschaft aus schieren Daten hoffentlich interessante Theorien entwickelt werden. Von einer solchen Warte aus gesehen wird verständlich, weshalb der Streit zwischen Transnationalisten, Assimilationisten und anderen Migrationstheorien bis heute letztlich nicht entschieden ist und auch nicht problemlos entschieden werden kann.

Im Workshop soll mit ,theorietheoretischen‘ Mitteln rekonstruiert werden, auf welche Bezugsprobleme verschiedene Migrationstheorien überhaupt reagieren, welche Fragen sie aufgreifen und zu beantworten gedenken und mit welchen Unterscheidungen sie dies tun. Dabei wird nicht allein deutlich werden, wie stark sich die Theorien ineinander einschreiben oder auch zu ignorieren versuchen – Théorie croisée -, sondern auch wie entscheidend letztlich der Glaube an die Validität und kognitive Stärke theoretischen Denkens ist.

Ethnographische Grenzregimeanalyse

Vassilis Tsianos | Do 9.00-17.00 | D1

Abstract folgt.

Klimawandel und Migration

Carsten Felgentreff & Philipp Aufenvenne | Do 9.00-17.00 | D2

Der Nexus von Klimawandel und Migration ist so politisch wie umstritten. Nicht nur innerhalb der Wissenschaft, sondern auch in Politik, NGOs und Medien wird intensiv über den Zusammenhang von Klimaveränderungen und menschlichen Migrationsbewegungen diskutiert. An der Figur des „Klimaflüchtlings“ manifestiert sich dabei die Vielschichtigkeit der Debatten. Für die einen verkörpert der „Klimaflüchtling“ das menschliche Antlitz des Klimawandels, andere sehen in ihm zuallererst ein Sicherheitsrisiko, wieder andere beklagen den unklaren Rechtsstatus der Flüchtlinge, und aus der Perspektive der Small Island States steht „Klimaflucht“ gar für die Angst um das eigene nationale Überleben.

Anhand ausgewählter Quellen werden wir die Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Perspektiven herausarbeiten und gemeinsam mit den Teilnehmer_innen weiterführende Forschungsfragen entwickeln und diskutieren.

Der kartographische Blick des Grenzregimes zwischen Regierung, Kunst und Kritik

Matthias Land & Stephan Liebscher | Do 9.00-17.00 | D3

Auffallend häufig nutzen Medien, offizielle Stellen, aber auch NGO’s, AktivistInnen und KünstlerInnen das Raummedium Karte, um Migrationsprozesse zu thematisieren. Der Workshop beschäftigt sich daher mit der schillernden Beziehung von Karte und Migration, indem der Beitrag von Kartographien der Migration bei der Produktion von Wissen, Regierungstechnologien und Räumen der Migration untersucht wird. Ferner diskutiert die Arbeitsgruppe das Potenzial der Kritischen Kartographie (welche die Karte als Produkt und Produzent spezifischer Wissensformationen versteht) für die Grenzregimeanalyse. Die Migrationskarten werden dabei nicht nur als Diskursfragmente, sondern – unter Einbezug nicht-repräsentationaler Ansätze – auch hinsichtlich ihrer Prozesshaftigkeit und ihrer Rolle als Akteure von Migrationspolitiken analysiert.

Anhand von einschlägigem Kartenmaterial werden hierfür aktuelle Theorien der Kritischen Kartographie im Workshop erarbeitet, diskutiert und angewendet. In einer produktiven Wendung können die TeilnehmerInnen dann – interaktiv und reflexiv – eigene Karten erstellen (nach Möglichkeit wird diese Einheit zusammen mit Philippe Rekacewicz (s. Keynote am Abend) gestaltet).

Orts-Besichtigungen? Ein Workshop zu nicht-essentialisierenden Exkursionspraktiken und zum Sehen ohne objektive Referenzen

Anke Strüver | Do 9.00-17.00 | D4

Auf Exkursionen steht das „unmittelbare Erleben“ von Orten und Räumen im Vordergrund und wird – verstanden als „Authentizität“ oder „Originalität“ – als besondere Qualität von Exkursionen im Vergleich zu Seminaren behandelt. Wie aber vollzieht sich das Erleben und Erkennen räumlicher Wirklichkeiten? Wie „wirkt“ die Wirk-lichkeit, wenn wir vor-Ort sind? Welchen Stellenwert haben Wissen und Wahr-Nehmungen? Kurzum: Welche Zugänge haben wir zur „Realität“?

Mit diesen Fragen im Hinterkopf stehen in diesem Workshop neben konkreten Orts-Besichtigungen einerseits kurze thesenartige Inputs zur Diskussion, andererseits werden die (Un-?)Möglichkeiten des Sehens ohne objektive Referenzen diskutiert und vor allem: ausprobiert. Zu den Diskussionspunkten gehören die Folgenden:

  1. Auf Exkursionen wird oft vergessen, dass wir uns gesellschaftlich produzierte Räume anschauen bzw. in diesen bewegen. D.h. eigentlich schauen wir mehr Gesellschaftliches denn Räumliches – bzw. verräumlichtes Gesellschaftliches – an und sind zudem als Erlebende/Sehende/Beobachtende selber Teil des Gesellschaftlichen.
  2. Diese Feststellung alleine bricht ein „es ist so!“, also die Annahmen von Authentizität und Originalität, noch nicht auf. Wenn sich gleichwohl „das ‚Original‘ als ‚Kopie‘ erweist“ (Butler 1991 in Anlehnung an Derrida 1976) bedarf es eines (de-)konstruktivistischen Raum- wie Subjektverständnisses, da es sich bei Exkursionen um ein permanentes Aushandeln von Selbst- und Fremdpositionierungen handelt. D.h. im Exkursionieren konstruieren wir vereinfachte, mit Werten und Normen aufgeladene Vorstellungen über uns selbst und v.a. über alle andere Personen (-gruppen). Unter Rückgriff auf gesellschaftlich nor-mierte Klassifikationsschemata entsteht dadurch ein Bild vom Raum – und von den Menschen im Raum. In diesem Sinne sind Fremd- und Selbst-Positionierungen stets prozessual, relational und intersektional.
  3. Mit Schürmann (2008) wird Sehen verstanden als „performative Praxis des Welterschließens“, so dass individualisierte Sehkonventionen gesellschaftlichen Diskursen und normierten Deutungsschemata folgen. Sehen ist dann nicht nur konstativ, sondern konstitutiv und das Sichtbare wird als „Ermöglichungsgrund des Sehenkönnens“ (2008, S. 24) verstanden, nicht als objektive Referenz.
    Damit bezieht sich Sehen gleichermaßen auf die Vermittlung als auch auf die Erzeugung von „Realität“: Sehen als Praxis konstituiert das Gesehene. Im Vollzug des Sehens werden individualisierte gesellschaftliche Deutungsmuster wirkmächtig, so dass der Sehakt prägt, was und als was man etwas sieht. Dabei überblendet der Vollzug, das „wie“ des Sehens, das „was“. D.h. mit der visuellen Erfassung wird kontextualisiert und mit der Kontextualisierung oftmals essentialisierend gedeutet.

Die Grenzen im Inneren – Gleichheit vor dem Recht und Racial Profiling

Bernd Belina | Do 9.00-17.00 | D5

Wir erarbeiten anhand von Literatur und Material, wie und auf welcher rechtlichen Basis Bundes- und Landespolizei in Deutschland rassistisch markierte Körper ins Visier anlassloser Kontrollen nehmen. Nach einer kurzen Einführung zu „Racial Profiling“ und „institutionellem Rassismus“ werten wir in Kleingruppen aktuelle Dokumente z.B. der Bundesregierung, von Gerichten und von NGOs aus. Anschließend tragen wir die Positionen zusammen und diskutieren Forschungs- und politische Optionen.

„No border, no nation, stop deportation!“ Zur Verortung von Anti-Abschiebeprotesten

Maren Kirchhoff & Helen Schwenken | Do 9.00-12.30 | K3

Seit März 2014 hat ein breites Bündnis in Osnabrück knapp 30 Abschiebungen verhindert und stellt derzeit ein einzigartiges Beispiel von Protest gegen Abschiebungen in der Bundesrepublik Deutschland dar. Zugleich reihen sich diese Aktionen in zahlreiche Proteste ein, die die Durchführung von Abschiebungen delegitimieren, stören oder verhindern. Im vergleichenden DFG-Forschungsprojekt zu „Protesten gegen Abschiebungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz“ untersuchen wir Anti-Abschiebeproteste im Zeitraum von 1993 und 2013. Ein Teilstück des Forschungsprojekts stellt das Mapping von Protestfällen dar, welches auf Grundlage einer Medienanalyse in den drei Ländern erfolgt.

In diesem Workshop wollen wir gemeinsam erarbeiten, wie sich Anti-Abschiebeproteste (räumlich) verorten lassen und was Karten zu Anti-Abschiebeprotesten aussagen (können).

Cities of Migration. From urban marginality towards marginal urbanity

Felicitas Hillmann & Jana Taube | Do 13.30-17.00 | K4

The „New Geographies of Migration“ are tightly bound to the transformation of cities more in general. In our session the focus will be on the restructuration and revival of cities through the process of migration.

Starting up with the historical role of migration and mobility in Europe, we will analyse the main analytical tools that helped understanding the position of migrants within cities. The focus is on sociological, anthropological and geographical methodology and theory – here we will provide a synopsis of existing theoretical work, questioning the spatial dimension. Then, we will concentrate on the shifting of the conceptual framing. For many years „urban marginality“ was discussed as the leading concept to analyse the impact of migration into the cities. We claim that it would be more appropriate to think of „marginal urbanity“, meaning that migration turns out to be one key element for the development of cities within the new (globalized) geographies. One point of reference will be the relevance of migrant entrepreneurship for urban development, further the integration of urban places as part of migrant trajectories is considered as constitutional for the new geographies. Suche nach: